Jürgen Seidel ist ein etablierter Autor im Bereich des historischen Jugendromans. Mit seinen Büchern Blumen für den Führer, Die Unschuldigen und Das Paradies der Täter hat er sich definitiv meinen Respekt und meine Anerkennung verschafft. Er ist ein Mensch, der die Bücher, die er schreibt, nicht nur als Mittel zur Unterhaltung nutzt, sondern auch als Werkzeug, um vor allem jungen Lesern eine Botschaft zu vermitteln. Man merkt, dass er sein ganzes Herzblut auch wieder in Der Krieg und das Mädchen gesteckt und es so zu einem weiteren Bucherlebnis gemacht hat, das ich, vor allem aufgrund seiner Tiefsinnigkeit nicht so schnell wieder vergessen werde.
Jürgen Seidel hat in seiner Kriegsreihe einmal den Schauplatz gewechselt und schreibt jetzt über den ersten statt den zweiten Weltkrieg. Er berichtet von Jugendlichen, die im Jahr 1913/1914, also den Jahren, in denen der 1. Weltkrieg langsam beginnt, zur Schule gehen. Als sie im Sommer an eine Villa an einem See fahren gerät dort die Situation außer Kontrolle, da ihr Lehrer Janota dort an einem Herzinfarkt stirbt, während Mila bei ihm ist und mit ihm Aufgrund einer Äußerung von ihm, die sie sehr verletzt hat, diskutiert. Später muss Mila aufgrund dieses Vorfalls und ihres französischen Nachnamen einige Pein durch die Polzei hinnehmen während ihr Freund Fritz ganz andere Probleme hat. Er hat sich nämlich in einen Klassenkameraden verliebt und versucht nun im Krieg Heilung von dieser Krankheit zu erlangen.
Meine Meinung
Jürgen Seidel ist einfach kein Autor, den man liest und der einem dann sofort wieder aus dem Kopf geht. Seine Bücher sind aufgrund seines exzentrischen und genau in die Zeit, über die er schreibt passenden Schreibstils auch schwerer zu lesen als andere Bücher und man benötigt daher die volle Konzentration, um der Handlung des Buches zu folgen, was das Buch nicht unbedingt zu einer unkomplizierten Abendlektüre macht.
Doch wenn man sich die Handlung ansieht merkt man, wie unglaublich präzise und detailreich Jürgen Seidel schreibt. Man merkt, dass extrem aufwändige und vielseite Recherchen unternommen wurden und der Autor sehr lange an den Charakteren gesessen haben muss, um ihn die Eigenschaften zu verleihen, die sie haben und die sie so besonders machen.
Sehr spannend finde ich, wie intensiv sich das Buch mit den Problemen der Charakteren auseinandersetzt. Da wären zum einen Mila’s Probleme mit ihrem Nachnamen, den polizeilichen Ermittlungen, die gegen sie laufen und dem Dilemma in ihrem Liebesleben sowie Fritz‘ Perzeption der Homosexualität. Beides sind Angelegenheiten, bei denen kein einfacher Ausweg zu entdecken ist. Er schildert sehr detailliert, wie sehr vor allem Fritz sich durch das schwere Gewicht der Homosexualität, die er als Krankheit wahrnimmt, psychisch verändert. Auch der Krieg setzt beiden mental zu und so ist es für beide Protargonisten nicht einfach, ihr Leben weiter zu bestreiten.
Buchzitat
Warum sollte also nicht auch uns in dieser Schlacht ein Banner voranflattern, auf dem in deutlichen Zeichen zu lesen ist, wer wir sind, was wir wollen und wie wir es wollen? Es hat für uns alle eine große Zeit begonnen, die herrliche Zeit der freudigen Erwartung der kaiserlichen Mobilmachungm die nicht lange auf sich warten lassen wird, da bin ich sicher. Die Vorfreude mithin auf die schöne Erfahrung dieser gefahrvollen Großfahrt, die Ihnen bevorsteht, meine Herren, wenn Sie gemeinsam mit Ihren Kameraden an den Ort Ihres Einsatzes reisen werden, dorthin, wo sie die höchste Ehre des Mannseins erwartet, aber auch das Heldenopfer, mit dem wir rechnen müssen. Wenn unser Leben einen Sinn findet, dann in der Gemeinschaft.
(Schuldirektor zu den Schülern) Seidel, Jürgen: Der Krieg und das Mädchen, cbj 2014, S. 125 / 126
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